EU Urheberrechts Richtlinie – Artikel 13 (17)

EU Urheberrechts Richtlinie Artikel 13 (17)

Beitragsbild Artikel 13

Da sich tausende Laien und Lobbyisten und Laienlobbyisten zu Artikel 13 EU-Urheberrechtsreform äußern, mache ich das jetzt auch mal – als Laie, nicht als Lobbyist und schon gar nicht als Jurist, weil ich keiner bin.

Die EU Urheberrechtsrichtlinie ist ein komplexes Stück juristischer Vertragssprache, die – falls sie vom Europaparlament final bestätigt wird – einen Rahmen definiert, der in ca. zwei Jahren von der Gesetzgebung / den Parlamenten der Mitgliedsstaaten umgesetzt werden muss.

Hier der endgültige Text: https://juliareda.eu/wp-content/uploads/2019/02/Copyright_Final_compromise.pdf

So wie ich es verstehe:

Werden alle Plattformen und Publisher, die Werke Dritter (Urheber) zur Nutzung durch Zweite (User) aus kommerziellen Motiven anbieten, dazu verpflichtet die Nutzungsrechte für diese Werke zu lizensieren => Artikel 13, Ziffer 1 und 2

Werden alle Plattformen und Publisher, die in die unter 1. beschriebene Kategorie fallen, dazu verpflichtet geeignete Maßnahmen umzusetzen, um zu überprüfen, ob hochgeladene Inhalte die Rechte der Urheber verletzen, wenn sie keine Lizenzvereinbarungen haben. Dann werden Maßnahmen eingefordert, was letztlich auf Uploadfilter hinausläuft => Artikel 13, Ziffer 4

Falls das “wenn” falsch ist, lohnt sich das Weiterlesen nicht.

Wenn der Betreiber einer kommerziellen Plattform / ein kommerzieller Publisher Lizenzen erworben hat, besteht keine zwingende Verpflichtung Uploads auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Für Privatuser ist damit erstmals überhaupt juristische Sicherheit gegeben: Hat die Plattform eine Lizenzvereinbarung mit dem Rechteinhaber bzw. seiner Verwertungsgesellschaft, kann der User nutzen und hochladen wie er will; denn die Plattform muss sich um die Messung der Nutzung und die angemessene Vergütung an die Rechteinhaber kümmern. Private Memes und Parodien sind davon abgedeckt. Das ist bisher nicht so.

Viele sagen nun, dass es unmöglich sei, alle Lizenzen aller möglichen Urheber zu erwerben. Muss denn jeder Plattformbetreiber für alle denkbaren Werke, aus allen Ländern, in allen Bereichen des Urheberrechtes Lizenzen erwerben? Meinem Verständnis nach nicht. Sondern nur für die Art von Werken (Musik, Videos, Bilder, Texte, …), die er publizieren will. Für die gibt es dann Rahmenlizenzvereinbarungen, die diese Rechte sehr umfassend und auch international abdecken.

Wie kann eine umfassende Lizenzierung funktionieren?

Wie und von wem können diese Lizenzen erworben werden? Zum Beispiel von der GEMA, also der Verwertungsgesellschaft (VG) für Musikschaffende. Hier der Überblick => https://www.gema.de/musiknutzer/tarife-formulare/ und ein konkreteres Beispiel für Nutzung im Internet => https://www.gema.de/musiknutzer/tarife-formulare/tarif-vr-od-9/ Ähnliche Angebote gibt es bzw. wird es von der VG Wort und der VG Bild-Kunst geben.

Verwertungsgesellschaft klingt schlimm, ist es aber nicht: Das ist eine Gesellschaft, deren Sinn und Zweck es ist, die Rechte der von ihr vertretenen Urheber zu wahren, Vergütungen für die Nutzung (Verwertung) der Werke einzutreiben und diese wiederum (nach Abzug einer Verwaltungsgebühr) an die Urheber auszuschütten => http://www.bpb.de/gesellschaft/medien-und-sport/urheberrecht/169987/deutsche-verwertungsgesellschaften

Dass es viel Kritik wiederum von Urhebern an den VGs gibt und dass die VGs sicherlich noch nicht vollständig im Digitalen angekommen sind, ist so und ein anderes Thema.

Auch nicht von den VGs vertretene Urheber werden übrigens von EU-URR über Artikel 9a geschützt: Für sie gelten die gleichen Vergütungskriterien, wie für Urheber, die von einer VG vertreten werden.

Was kostet das? Bei der GEMA beträgt z.B. die Mindestvergütung für Ad-Funded-Streaming-Dienste bei hoher Interaktivität des Dienstes (Auswahlmöglichkeit von Song, Interpret …) derzeit 0,00375 € pro Stream. Für „neue Dienste“ aka Start-ups gibt es günstigere Paketpreise; die schwanken mengenabhängig zwischen 0,0009 € und 0,0017 € pro Stream => https://www.gema.de/fileadmin/user_upload/Musiknutzer/Tarife/Tarife_VRA/tarif_vr_od9.pdf

Die GEMA (ebenso VG-Wort & Co.) hat wiederum Verträge mit internationalen VGs => https://www.gema.de/fileadmin/user_upload/Gema/jahrbuch/10_Vertr%C3%A4ge.pdf …vertritt also in deren Auftrag die Rechte der dort vertretenen Urheber; so wie auch die internationalen VGs wiederum die GEMA und damit die GEMA-Urheber vertreten.

Hat man als Plattformbetreiber / Publisher also eine Lizenzvereinbarung mit der GEMA oder einer VG in einem anderen Verwertungsbereich geschlossen, ist man auf einer sehr sicheren Seite; ebenso die User, die die Plattform nutzen, um Werke für private Zwecke zu nutzen.

Das klingt kompliziert, ist aber nicht zu kompliziert, um zu funktionieren: So funktioniert es seit 1947 (Jahr der Umbenennung von STAGMA, 1933 gegründet). Jeder, der in seiner Kneipe, als Radiostation, als Fernsehsender usw. Musik abspielen will, muss die Rechte bei der GEMA lizensieren. Warum? Weil die durch die VGs vollzogene Verwertung der Nutzungsrechte, neben den Verkaufserlösen, die wesentliche Einnahmequelle für die Menschen ist, deren Musik, Filme, Bilder, Artikel, Bücher … wir nutzen.

Gibt es einen Uploadfilterzwang?

MUSS also jede Plattform auf jeden Fall Uploadfilter einführen? Nein, muss sie nicht, soweit ich es verstehe, wenn sie die Lizenzen über die VGs oder (viel Spaß) direkt von den Urhebern erworben hat. Es ist also durchaus möglich für die jeweilige digitale Plattform, mit allen Urhebern Lizenzen zu vereinbaren. Sie muss eben, wie alle anderen kommerziellen Nutzer von urheberrechtlich geschützten Werken, diese Lizenzen in ihrem Geschäftsmodell berücksichtigen. Da dies voraussichtlich zum neuen Standard werden wird, ist es eine Marktbedingung, die für Plattformen jeder Größe gilt; egal ob YT, FB, Vimeo, Soundcloud, Spotify … oder meine-songliste.de.

Bisher sperren sich viele Plattformen dagegen. Allen voran YouTube, das sich 2016 mit der GEMA nur auf eine Eimalzahlung ohne Herstellung eines rechtsverbindlichen Anspruchs auf diese oder weitere Zahlungen nach ca. 9 Jahren des Prozessierens geeinigt hat. Warum? Weil sie natürlich nichts von dem Umsatz abgeben wollen, den sie auf Kosten der Urheber und auf Kosten der Rechtssicherheit und der Datenhoheit der YouTube-Nutzer erwirtschaften.

Das ist das vordergründige Argument. Dahinter liegt und ist genauso kritisch für die Plattformen: Mit einer rechtsverbindlichen Anerkennung der VGs als Vertreter der Urheber und den von den VGs vertretenen Verwertungsrechten wird auch die Offenlegung der Nutzungsdaten verbunden; ohne diese Daten ist keine Abrechnung über die VGs möglich. Also müssen die Plattformen ein Loch in ihre „Firewalls“ einbauen. Eines, über das Andere in ihre Wertschöpfung hineinschauen können. Das wollen sie in jedem Fall vermeiden.

Nun sagen alle, dass sich nur die Großen eine Lizensierung leisten können und Kleine keine Chance mehr haben, ein Geschäft auf Basis der Nutzung von Werken Dritter aufzubauen. Ja, mit dem Lizensierungszwang entsteht eine weitere Hürde für z.B. Streaming-Start-ups aus der EU. Ist diese neue Hürde aber – als für alle Anbieter gleichermaßen gültige Marktbedingung – entscheidend dafür als Start-up nicht erfolgreich werden zu können? Aus meiner Sicht nicht allein und nicht bestimmend. Viel entscheidender ist die Marktdominanz der bestehenden Plattformen, die sich in einem rechtsfreien Raum auf Kosten der Urheber und auf Kosten der Daten ihrer Nutzer haben entwickeln können. Diese Marktdominanz im Sinne von “Eyeballs und Reach sind und bleiben durch den Lock-in-Effekt konzentriert bei den großen Plattformen” führt zu hohen Kundengewinnungskosten; das ist die zentrale Hürde.

Hier geht es dann aber um ein anderes Thema: Dürfen die Plattformen weiterhin die Nutzerdaten ohne angemessene Gegenleistung für und Kontrollmöglichkeit durch die Nutzer als Rohstoff für ihre Geschäftsmodelle nutzen (denn die Daten sind der entscheidende Marktfaktor) und damit als Monopole den Markt dominieren? Siehe das Kartellamtsverfahren gegen FB => https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2017/19_12_2017_Facebook.html

Den Zwang zur Lizensierung von urheberrechtlich geschützten Werken als „Killerkriterium“ für Unternehmensgründungen in der EU darzustellen, halte ich daher für überzogen bzw. am eigentlichen Thema vorbei argumentierend.

Nochmal: Uploadfilter werden nur nötig, wenn die Plattform keine Lizenzvereinbarungen mit den Urhebern hat; so verstehe ich es. Aber nehmen wir mal, sie wären nötig. Dann kommt als Erstes „sowas kostet 100 Mio $“. Ja, mag sein, dass Google für die Entwicklung von Content-ID 100 Mio $ ausgegeben hat. Für eine Plattform, die solch gigantische Datenmengen umwälzt und für deren Prüfung entsprechenden Aufwand treiben muss, scheint das ein plausibler Preis. Sicherlich ist ein erheblicher Anteil der Kosten durch die Entwicklung der Algorithmen zur Auswertung des Nutzerverhaltens / der Nutzerdaten, also zur Weiterentwicklung von Googles Maschinenintelligenz entstanden; aber das ist nur eine randbemerkliche Mutmaßung.

Kosten von Uploadfiltern

Ja, solche Filter kosten Geld. Soundcloud hat sie m.W. vor einigen Jahren auf Druck der GEMA einführen müssen. Ist Soundcloud deswegen in die Knie gegangen? Nein, aus meiner Sicht. Sie haben den Streamingzug verschlafen, sind von Spotify überrollt worden, bieten denkbar schlecht zu bedienende Apps und haben den Sprung vom Produkt für Profis / Semiprofis hin zum B2C-Markt nicht geschafft. Die Uploadfilter und der Streit mit der GEMA sind ein Faktor, aber wahrscheinlich nicht der entscheidende für Soundclouds Probleme.

Uploadfilter sind m.W. nicht so komplex und unvorstellbar teuer, dass sich nur die Giganten diese Tools leisten könnten; aber das ist dünnes Achtelwissen. Nehmen wir also mal an, dass Jeder die Uploadfilterschnittstellen von Google benutzen muss, weil eine Eigenentwicklung unbezahlbar ist. Dann wären wir beim nächsten und über dem Allem hier schwebenden Problem: Dann würde Google eine weitere Quelle für seine Auswertung von Nutzern und Nutzerverhalten bekommen. Da klingeln natürlich und zu Recht sämtliche Datenschutzglocken. Also muss dieses Thema, das in seiner Auswirkung auf die Gesellschaft noch deutlich größer ist, angegangen werden: Google & Co. rauben ohne Rechtsgrundlage ihre Nutzer aus. Also uns und unsere Verhaltensdaten, als Rohstoff für den von ihnen geschaffenen und dominierten Werbemarkt. Soll man nun, weil dieses Problem noch viel größer ist und unlösbar erscheint, die Urheberrechte nicht schützen? Aus meiner Sicht, nein. Wie Google & Co uns ausschlachten, ohne angemessen dafür zu zahlen, muss genauso angegangen werden und wird auch leichter angegangen werden können, wenn der Zwang zur Lizensierung durchgesetzt ist.

Haben nur die Giganten das Know-how Uploadfilter bauen? Nein, das ist keine Geheimwissenschaft und wäre ein Feld, in dem sich Unternehmen aus der EU, die sich im EU-Datenschutzrecht bewegen und GDPR-compliant arbeiten, durchaus betätigen und ein Geschäft aufbauen könnten. Es ist nur die Frage, ob das denn überhaupt nötig ist bzw. durch die EU-URR & Artikel 13 nötig wird. So wie ich es verstehe: Nein, siehe oben.

Sind Uploadfilter der Grundstock einer Zensurmaschine? Potenziell, ja. Eine Zenzurmaschine, die es mit Google und Facebook schon lange gibt; beides Unternehmen, die eng mit der amerikanischen Politik und den diversen Geheimdiensten zusammengearbeitet haben und es m.W. weiterhin tun. Was ein weiteres Argument dafür ist a) G + FB zu regulieren, b) die Kontrolle der Daten der Gesellschaft zurückzugeben und c) in der EU Maßnahmen umzusetzen, die es hier ansässigen Unternehmen ermöglichen z.B. Uploadfilter nach hiesigen demokratischen Normen und Gesetzen umzusetzen; und auch die muss man hinsichtlich staatlicher und wirtschaftlicher Einflussnahme genauestens unter die Lupe nehmen. Auch in der EU müssen die Gesellschaften deutlich mehr Kontrolle über den staatlichen und wirtschaftlichen Umgang mit unseren Daten bekommen. Uploadfilter heimischer Herkunft müssten also genauso streng nach Datenschutzrichtlinien konzipiert und kontrolliert werden.

Wie das Alles im Einzelnen aussehen und funktionieren kann, weiß ich natürlich auch nicht. Aber immer einen Schritt nach dem anderen. Jetzt geht es erstmal um einen neuen rechtlichen Rahmen zum Schutz der Urheberrechte. Und der sieht aus meiner Sicht gar nicht so verkorkst aus, wie alle immer sagen. Aber vielleicht mache ich da auch ganz grundsätzliche Denkfehler – dann lasst uns gerne diskutieren.

Dieser Artikel ist zuerst als „Note“ auf FB erschienen: https://www.facebook.com/notes/christian-hasselbring/artikel-13/2290681984309327/

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