Artikel 13 (17) – Lobbyismus

Artikel 13 (17) – Lobbyismus

Beitragsbild Artikel 13 (17) Lobbyismus

Unstrittig ist der Begriff “Lobbyismus” in unserer Gesellschaft negativ behaftet. Der Streit um Artikel 13 ist eine neverending story, in der sich nun beide Lager Lobbyismus vorwerfen. Und in der Viele – besonders mitlaufende, aber auch wortführende Artikel 13-Gegner – weder verstehen, was Urheberrecht und Urhebervertragsrecht sind, noch wen sie da als Lobbyisten bezeichnen.

Beispielsweise der GEMA wird dieser Vorwurf gemacht. Was die GEMA ist, was sie für wen tut und wie sie arbeitet, kann man, Interesse an einer sachlichen Diskussion vorausgesetzt, sehr leicht herausbekommen. Dann erklärt sich ggf. auch, warum der Lobbyismus-Vorwurf gegenüber der GEMA zumindest als polemische Formulierung zu werten ist: https://de.wikipedia.org/wiki/Gesellschaft_f%C3%BCr_musikalische_Auff%C3%BChrungs-_und_mechanische_Vervielf%C3%A4ltigungsrechte.

Wie es bei Verwertungsgesellschaften (als treuhänderischen Vereinen) so ist, darf auch die GEMA keinen Gewinn erwirtschaften; s. Seite 39 des Geschäftsberichts https://www.gema.de/fileadmin/user_upload/Gema/geschaeftsberichte/GEMA_Geschaeftsbericht2017.pdf und hier auf der FAQ-Seite https://www.gema.de/faq/ueber-die-gema/ („Wofür werden die Einnahmen verwendet?“ und „Erzielt die GEMA Gewinne“).

Die GEMA ist also schon per Definition ihres Auftrags und qua Rechtsform nicht in der Lage Lobbyismus zu betreiben. Geschweige denn, dass sie auch nur annährend über die Mittel verfügt, die Konzerne befähigen Lobbyisten für‘s Lobbyieren zu bezahlen.

Wenn die GEMA oder ihre Vertreter in der Öffentlichkeit für Artikel 13 diskutieren oder politische Gremien beraten, machen sie als Interessenvertreter “Lobbyarbeit”. Sie treten für die Rechte und das wirtschaftliche Auskommen der Menschen ein, deren Musik uns das Leben leichter macht. Für die Musiker, Künstler, Komponisten, die Musik als urheberrechtlich geschützte Werke kreieren. Die GEMA setzt sich als Verein im treuhänderischen Auftrag der werkschaffenden Künstler beispielsweise dafür ein, dass auch die großen digitalen Content Sharing Plattformen, so wie alle anderen Verwerter von Werken (Radio- und TV-Sender, Musikclubs, Restaurants, Arztpraxen, Busunternehmen, …) eine Abgabe an die GEMA zahlen, die diese dann wiederum an die Werkschaffenden verteilt. Dies hat meiner Ansicht nach nichts mit Lobbyismus im eigentlichen Sinn zu tun.

Lobbyismus

Gemeinhin wirft man Konzernen oder Industrieverbänden Lobbyismus vor; also beispielsweise Daimler oder dem VDA, wenn es um die Interessen der Automobilindustrie geht. Oder Facebook und Google, also den Konzernen, die mit Artikel 13 zuvorderst angepeilt werden und deren Geschäftsmodelle von Artikel 13 betroffen wären.

Diese Unternehmen pumpen erhebliche Summen in die Unterstützung ihrer Interessen durch Lobbying-Agenturen oder durch eigene Repräsentanzen an den Orten politischer Entscheidungen. Hier ein kompakter Überblick über die Geldmengen, die von der Westküste der USA nach Washington transferiert werden: http://www.manager-magazin.de/digitales/it/google-amazon-facebook-tech-riesen-pumpen-millionen-in-lobby-arbeit-a-1256920.html
Wie hoch die Summen sind, die an Agenturen in Brüssel und Berlin fließen, habe ich jetzt nicht recherchiert. Sie werden sich in ähnlichen Dimensionen bewegen. Europa ist ein wichtiger Markt für GAFA – sowohl umsatzseitig, als auch hinsichtlich der hier etwas härteren regulatoischen Gangart gegenüber Großkonzernen; Google & Co wollen unbedingt vermeiden, dass Tim Apple oder AOC aus der EU nach GDPR weitere Steilvorlagen bekommen. Denn Regulation ist der Feind der radikalen Enteignung von persönlichen und dinglichen Daten, die Kern von Googles Geschäft ist.

Unter anderem deswegen unterstützt Google massiv konservative Lobbygruppen und Thinktanks, wie beispielsweise diese: American Action Forum, American Conservative Union, American Enterprise Institute, American Legislative Exchange Council, Federalist Society, Mercatus Center, Heritage Foundation, National Taxpayers Union, Texas Public Policy Foundation, U.S. Chamber of Commerce, U.S. Hispanic Chamber of Commerce, Washington Legal Foundation, … Oder auch ganz direkt den obersten Deregulierer und Corporate-Supporter der Welt, Herrn Trump: https://www.google.com/publicpolicy/transparency.html

Wie Google als der weltweit wohl größte und investitionsfreudigste Lobbyist agiert, ist hier https://www.googletransparencyproject.org/articles/googles-european-revolving-door und hier https://www.lobbycontrol.de/wp-content/uploads/180920-Studie-gekaperte-Gesetzgebung.pdf genauer beschrieben.

Als kurzes Zwischenfazit: Die GEMA setzt sich satzungsgemäß als Verein für die Rechte ihrer Mitglieder ein = kein Lobbyismus. Google gibt achtstellige Beträge allein in Washington dafür aus, die Politik zu seinen Gunsten zu beeinflussen und sorgt dafür, dass die Vernetzung mit der amerikanischen Administration auf persönlicher Ebene eng ist = Lobbyismus: https://googletransparencyproject.org/articles/googles-revolving-door-us

Das zum Rahmen, in dem wir uns bewegen. Was hat das nun konkret mit der Diskussion um Artikel 13 zu tun?

CCIA, Kennisland, Copyright for Creativity und CDT – die Finanziers des Sturms gegen Artikel 13

In diesen beiden Artikeln aus der FAZ ist transparent und offensichtlich auch belegt dargestellt, wie die Lobbygruppe Create.Refresh durch (Fehl)Informationen, PR-Material und zuletzt auch finanzielle Offerten einflussreiche YouTuber manipuliert oder dies zumindest versucht, um sie zu Aktivitäten gegen Artikel 13 zu bewegen https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/youtubern-wird-geld-fuer-urhebrrechts-protest-geboten-16091413.html …leider nur hinter der Paywall, ohne Möglichkeit des Einzelartikelkaufs – aber das ist ein anderes Thema – zu bekommen oder hier https://blendle.com/i/frankfurter-allgemeine-zeitung/gekaufter-protest/bnl-faz-20190316-1861956873 Und: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/wie-man-mit-internet-spam-europas-politik-lahmlegt-15771339.html …frei zugänglich.

Was Create.Refresh umtreibt und welche Positionen sie vertreten, findet sich hier: https://createrefresh.eu/faq/ Beispielsweise: „What is Article 13? Article 13 is a provision in the EU Copyright Reform mandating that all content uploaded to the internet be monitored and potentially deleted if a likeness to existing copyrighted content is detected.” Übersetzt: “Artikel 13 ist eine Bestimmung der EU-Urheberrechtsreform, die vorschreibt, dass alle ins Internet hochgeladenen Inhalte überwacht und möglicherweise gelöscht werden, wenn eine Ähnlichkeit mit bestehenden urheberrechtlich geschützten Inhalten festgestellt wird.” Was so schlicht nicht stimmt! (und hier geht es nicht darum, ob in Artikel 13 explizit von Upload-Filtern die Rede ist oder nicht)

Auf derselben Seite findet sich ebenfalls – und für Jeden, der auch nur 5 Minuten Zeit investiert, jederzeit auffindbar und nachvollziehbar – wer Create.Refresh ist und wen sie ansprechen: „Whose initiative is this? Create.Refresh is an initiative to highlight the implications of copyright legislation for creators – specially independent creators and small to medium size businesses, and with the ultimate goal of starting an inclusive conversation for a balanced copyright. It is funded by CCIA, Kennisland, Copyright for Creativity and CDT, supported by civil society organisations and amplified by creators from diverse fields.” Es geht Create.Refresh also vor allem um die Rechte der „unabhängigen Creators“. YouTube spricht über Create.Refresh direkt die Zielgruppe der von YouTube abhängigen YouTuber (aka Creators oder Influencer, die keiner unabhängigen Interessenvertretung wie der GEMA angehören) an. Eine Zielgruppe, die sich, da von YouTube abhängig (weil ihre komplette Wertschöpfung auf YT aufbaut) sehr leicht vor den kommunikativen Karren spannen lässt. Es geht um die Humanressourcen, die innerhalb von YouTube nicht unwichtig für den wirtschaftlichen Erfolg sind. Wichtig sowohl was Content-Produktion, als auch was Stimmung in der “Community” anbelangt (“Community” aus YouTube-Sicht = Gruppe von Menschen, die aus eigenem Antrieb möglichst viel Zeit, Interaktionen, Content, Daten als Basis maschineller Vermarktungsalgorithmen produziert, dafür keine Lizenzen oder sonstige Abgaben fordert, sondern sich komplett auf Revenue Share an Vermarktungserlösen verlässt = komplett unter YTs Kontrolle ist = Lieblingsressource). Soweit sollte klar sein, worum es hier geht.

Worum es gehen würde, sollte sich das digitale “RevenueShare only”-Modell immer weiter im Analogen verbreiten – Abhängigkeit der Kulturschaffenden von Googles Datenkapitalismus, ohne regulierendes Korrektiv in Form von Verwertungsgesellschaften. Dass Google / Alphabet kein großes Interesse daran hat, sich an gegebene Regeln oder Strukturen zu halten, ist spätestens seit den Anhörungen vor dem Senate Intelligence Committee im vergangenen Herbst klar – Larry Page hatte Wichtigeres zu tun: https://www.bloomberg.com/news/features/2018-09-13/larry-page-is-a-no-show-with-google-under-a-harsh-spotlight Denn diese Strukturen und Regeln stören nur bei der Mission “Alles Wissen der Welt zu besitzen (ohne dafür zu bezahlen oder die Gesellschaft regulatorisch einzubinden) um daraus Vermarktungskapital zu schlagen”.

Wer wiederum hinter CCIA, Kennisland, Copyright for Creativity und CDT steckt, also wer Create.Refresh und damit (Fehl)Informationen, PR-Material und zuletzt auch finanzielle Offerten an einflussreiche YouTuber finanziert, ist dann auch nur noch wenige Minuten Suchzeit entfernt und naheliegend (im doppelten Wortsinne): >> CCIA: http://www.ccianet.org/about/members/ Google, Facebook, Cloudflare, ebay, Amazon, Oath, …

>> Kennisland https://www.kl.nl/en/about-kl/ Wenn ich es richtig verstehe, eine vom niederländischen Bildungsministerium finanzierte Unternehmung, die sich um die Weiterentwicklung der Gesellschaft in allen Bereichen von Bildung, Sozialem, Datenschutz, … bemüht. Warum Kennisland hier mitmacht, erschließt sich mir nicht. >> Copyright for Creativity / C4C http://copyright4creativity.eu/faq/ Ein an sich unverdächtig daherkommender Zusammenschluss von Verbänden, die ein auch an sich positives Ziel verfolgen: „Copyright for Creativity – a Declaration for Europe, embodies a new approach to European copyright – an approach where everyone benefits, innovation is fostered, creativity is incentivised and rewarded, and access to the fruits of the European creative spirit is improved for all Europeans.” Dagegen kann man wenig sagen. Auch wenn „incentivized and rewarded” schon ein Hinweis ist: Ich würde als Urheber ungerne nur „incentivized and rewarded“ werden für meine Werke. Ich würde gerne „paid“ werden für die Verwertung meiner Werke. Aber sei’s drum.

Allerdings wird es, wenn man wiederum etwas genauer hinschaut, wer C4C finanziert, dann doch schnell sehr lobbyistisch: http://copyright4creativity.eu/faq/ „How is the initiative financed and staffed?” “Copyright for Creativity is a coalition based in Brussels. Its secretariat is run by consultancy firm N-square. C4C is funded through grants and membership fees. Main current grants come from OSF (Open Society Foundation) and CCIA (Computer and Communications Industry Association). C4C currently has 42 members.” Also wieder die CCIA (s. oben) und das Lobbying-Unternehmen N-square. Dass Google auf N-squares Kundenliste steht, überrascht nicht wirklich: http://www.n-square.eu/#clients

In der Liste der Unterzeichner der C4C auf http://copyright4creativity.eu/about-us/„Our Signatores“ steht u.a. auch das CDT, Center for Democracy and Technology. Dessen Kurzbeschreibung auf der C4C-Seite so harmlos und geradezu altruistisch klingt, dass man gerne in die Hände klatschen möchte: „The Center for Democracy & Technology is a 501(c)(3) nonprofit public policy organization and the leading Internet freedom organization working at the critical edge of policy innovation.” Nur, auf wessen Kundenliste taucht das CDT wiederum auf? Auf der von N-square http://www.n-square.eu/#clients
Und wer steht in der Liste der direkten Finanziers des CDT? “Amazon • Anonymous • Apple • Democracy Fund • Facebook • Fraley v. Facebook Cy Pres Award • Google • The John D. and Catherine T. MacArthur Foundation • Microsoft• Robert Wood Johnson Foundation • William and Flora Hewlett Foundation” https://cdt.org/financials/

Mit anderen Worten: Hinter drei der vier Finanziers von Create.Refresh steckt Google und damit Google-Geld und Google-Interessen: CCIA, C4C und CDT. Lobbygruppen, die wiederum auch untereinander und mit weiteren, wohl durchaus an der Durchsetzung oder Beibehaltung von freizügigem Umgang mit Urheberrechten und dahinter auch Datenschutz interessiert sind, wie auch die OSF – die maßgeblich von George Soros finanziert wird, dessen größtes Investment zurzeit die Liberty Broadband Group ist; ein Kabelnetzbetreiber aus den USA. Ich kann nur mutmaßen, würde aber vermuten, dass es auch hier durchaus Eigeninteressen gibt – seitdem Verizon / Oath in das Geschäft mit Nutzerdaten eingestiegen sind.

Create.Refresh ist Lobbyismus in Reinkultur nach Google-Art

Das sollte Jedem klar sein – und könnte auch Jedem klar sein, der sich mal ein paar Minuten hinsetzte und googelte 😊 wer denn hinter Create.Refresh steckt. Aber diese Mühe machen sich wahrscheinlich 99,5% derjenigen nicht, die Dinge wie „Ende des Internets“ oder „Zensurmaschine“ rufen ober stolz darauf sind, auf dieser Lobbyismus-Seite auf YouTube vertreten zu sein https://www.youtube.com/intl/de/saveyourinternet/ Eine Lobbyseite, (in der Nomenklatur der Artikel 13-Gegner wäre es wohl eine „Propagandaseite“) über die YouTube Videos mit dem Hashtag #saveyourinternet bewirbt: „How well do you understand Article 13? Your future could depend on it. In this video, Matt from YouTube explains what is Article 13 and its unintended consequences. Be sure to watch, and learn more at https://www.youtube.com/saveyourinternet” Und auf der – wenig überraschend – auch ein Link auf die mittlerweile ca. 5.000.000x unterschriebene Change.org-Petition gegen Artikel 13 zu finden ist: „joining the movement at https://goo.gl/qnmmnq“ Worte sind geduldig und Googles Wortschmiede arbeiten gut: “Joining the movement” …

Allein das Video von Matt, dem freundlich besorgten Artikel 13-Erklärer und Creator-Patron von YouTube, hat nach meinen Recherchen ca. 1,7 Millionen Abrufe https://www.youtube.com/watch?v=TRYSxIYHS0 Die Top10 #saveyourinternet-Videos kommen zusammen auf ca. 6,7 Millionen Abrufe:

Liste der meistgesehenen Videos zum Thema Artikel 13 auf YouTube

Dass so viele Abrufe zustandekommen, liegt sicherlich nicht zwingend daran, dass Alle, die auf den von Google mit viel Geld angeschobenen Panikzug aufspringen, wirklich verstanden haben, was Artikel 13 beinhaltet, wie die Schritte zur Ausformulierung aussehen, welche Rolle YouTube im Leben von Urhebern (auch YT-Creators) spielt und mit wem sie sich gemein machen, wenn sie Googles Lobbyarbeit bereitwillig unterstützen. Und sicherlich sind weder sie noch ihre Lieblings-Creators ganz von allein darauf gekommen, sich intensiv mit Artikel 13 zu befassen. Nein, das liegt neben all der Uninformiertheit unter anderem auch daran, dass YouTube seine Reichweite nutzt, um über Seiten und Hashtags wie #saveyourinternet seine Lobbybotschaften (in der Nomenklatur der Artikel 13-Gegner „Desinformation“) zu verbreiten: „Make your voice heard by creating a video about Article 13, sharing on social using the hashtag #SaveYourInternet and joining the movement at https://goo.gl/qnmmnq“ Dabei sollte man nicht vergessen: Diese Seite ist nur eine von zahlreichen Maßnahmen, die das Unternehmen mit dem derzeit m.W. weltweit größten Lobbyismus-Budget vorantreibt.

Bei allem Verständnis für die Unsicherheit und Sorgen, die Artikel 13 auslöst: Man sollte sich doch etwas genauer informieren, auf wessen Aussagen man sich verlässt und sich auch etwas genauer mit dem Thema auseinander setzen, bevor man mitläuft und ruft „die EU / GEMA / Micky Meuser / Axel Voss machen das Internet kaputt“ oder „sie bauen eine Zensurmaschine“.

Was ich zur Zensur denke, steht hier Artikel 13 (17) – Zensur

Was ich zu Artikel 13 an sich denke, findet sich hier Artikel 13 (17)

PS: Liebe Creators und Creators-Fans, Google ist nicht Euer Freund. Aber das nur am Rande.

Dieser Artikel ist zuerst als „Note“ auf FB erschienen: https://www.facebook.com/notes/christian-hasselbring/artikel-13/2290681984309327/

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